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Dienstag, 14. März 2017

Meine Ringschiffchen-Nähmaschine

Alte Nähmaschinen gibt es viele, viele viele.... 

Als ich im Herbst über mein Exemplar stolperte, fragte ich im Nähmaschinentechnikforum nach, ob wohl Aussicht bestünde, dieses Exemplar (mit Rost und in allen beweglichen Teilen festgefressen) wieder in die Gänge zu bekommen. 


Dort erhielt ich die Auskunft, es gäbe viele alte Nähmaschinen in deutlich besserem Zustand und so sei es schon fraglich, ob man in dieses Objekt Zeit investieren wolle. 

Doch dann fiel einem der Profis auf, dass es sich hierbei um eine Ringschiffchen-Maschine handelt.  
Und diese wären eher rar, so dass es vielleicht schon eine reizvolle Aufgabe sei, sie sich vorzuknöpfen. 

Nun nähe ich zwar seit mehreren Jahrzehnten mit Nähmaschine und kann sie sachkundig bedienen, ölen und und pflegen, aber wie genau das mit dem mechanischen Nähen funktioniert, welche Technik und welche Entwicklung dahintersteht, dafür habe ich mich lange Zeit eigentlich nicht wirklich interessiert. 


Wie ich dann dazu gekommen bin, im letzten Sommer zum ersten Mal eine Nähmaschine zu zerlegen, ist eine andere Geschichte, die ich eigentlich auch schon länger hier beschrieben haben wollte... 

Aber stattdessen habe ich mittlerweile die zweite Nähmaschine in Behandlung. 
Nämlich diese alte Ringschiffchen - Nähmaschine. 

Und diesmal schreibe ich gleich zeitnah auf, was mir dazu durch den Kopf geht, denn später habe ich sicher alles wieder vergessen und keine Lust mehr, es noch einmal zusammenzusuchen .... 


Was heißt Ringschiffchen? 


Die Bezeichnung bezieht sich auf den Mechanismus unter der Stichplatte. 
Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Möglichkeiten entwickelt, wie sich Ober- und Unterfaden verschlingen können. 
Vor ca. 100 Jahren waren unter anderem "Langschiffchen" weit verbreiten, bei denen der Unterfaden auf einer ähnlichen Spule aufgewickelt war, wie man sie in Webschützen kennt. Von diesen Maschinen sind wohl auch noch relativ viele im Umlauf. 
Beim Ringschiff ist der Unterfaden – wie bei den mir seit über 30 Jahren vertrauten Zentral-Spulen-Greifern (CB-Greifer) mit der herausnehmbaren Kapsel – auf einer flachen runden Spule aufgewickelt. Allerdings sitzt die relativ kleine Spule unter einer Art Deckel. 

Nähere Auskunft über die Ringschiffchen-Mechanik gibt mir mein "Herders Konversationslexikon" von 1902-1910, Band 6, Stichwort "Nähmaschine". 

(Sollte es für die im folgenden gezeigten Abbildungen trotz des hohen Alters des Buches Rechteinhaber geben, die ich nicht ermitteln konnte, bitte ich um eine diesbezügliche Auskunft. Dann werde ich die Bilder natürlich umgehend löschen.)   
... Treiber T mit Schlitz s für den Nadeleintritt in Schwingung (200°)versetzt wird. 



•••





Ein Blick auf die Kurbel K meiner Maschine: 


Was ist der Nutzen von diesem Ringschiff? 

Zum einen ist es einfach eine Entwicklungsstufe in der Nähmaschinentechnik. 

Mein Lexikon (oben) meint, die Zentralspulgreifer wären erst ganz neu auf dem Markt, aber komfortabler in der Handhabung.  

Es scheint jedoch auch eine Technik gewesen zu sein, die sich besonders für die Verarbeitung schwererer Stoffe und dickerer Garne eignete. 


Jedenfalls finden sich bei Peter Wilhelm einige Reklamedrucke, in denen  Maschinen mit verschiedenen Greifersystemen angeboten und für Verwendungszwecke empfohlen werden. Aus deren Lektüre entsteht für mich der Eindruck, die Ringschiffchen-Maschinen würden speziell für die Anwendung bei robusteren Arbeiten angepriesen. 

(Peter Wilhelm: Alte deutsche Nähmaschinen, Duderstadt 1987)

Die Passage über die Ringschiffmechanik in Naumanns Ausführungen über die "Singer Improved"- Maschinen bestätigt meinen Eindruck. 


Was weiß ich noch über meine Maschine? 


Ziemlich wenig. 

Auf der Vorderseite gibt es unterhalb des Stichlängenhebels zwei Löcher, die entweder für die Anbringung eines Markenlabels vorgesehen waren, oder an denen früher einmal ein Label angebracht war.  Welche Firmen welche Nähmaschinen unter welchem Label hergestellt haben und warum man manche Maschinen nicht unbedingt mit dem Logo des Herstellers versah, das ist eine spannende Geschichte, die man hier nachlesen kann
Die Abbildungen der Ringschiffmaschinen in Herdes Lexikon zeigen (lt. Text) Beispiele von Pfaff und Singer-Maschinen. Die einzige Ringschiffmaschine, auf die ich von diesen Firmen bisher im Netz stieß, ist jedoch die o.g. "Singer Improved", die noch keinen Rückwärtsgang hatte. (Hat meine schon.)

Auf der Rückseite gibt es eine Seriennummer, die auch nichts aussagt. 

In dem erwähnten Buch von Peter Wilhelm werden zahlreiche Firmen beschrieben und teilweise ihre Produktionspaletten aufgezeigt. 

Warum dort so oft die Daten aus den Jahren 1901 und 1912 erscheinen, erschließt sich mir nicht, aber es ist jedenfalls ersichtlich, dass viele Firmen solche Ringschiffmaschinen im Angebot hatten und viele Tausend davon in Umlauf gekommen sein müssten. 

In der Hoffnung, doch noch Verwandte zu entdecken und vielleicht eines Tages auch eine verwendbare Bedienungsanleitung aufzutreiben, liste ich hier mal einige Modelle auf, die in dem Buch erwähnt werden. 

Afrana O (Biesolt und Locke, Meißen, bis 1913)
Dietrich Medium und Titania (Altenburg 1895) 
Vesta E, F (Dietrich, Altenburg 1901+1912) 
Dürkopps Ringschiffmaschine 1891
Dürkopps Ringschiff B + C 1901
Victoria Ringschiffmaschine (Finster und Rossmann, Berlin 1889)
Gritzner Ringschiff E (1898), E+F (1912)
Excella E, F (Haid und Neu Karlsruhe, 1912)
Kayser E Familie (Kaiserslautern 1901)
Vera Ringschiff (Knoch, Saalfeld 1903)
Ossa E, EV (Knoch, Saalfeld 1912)
Köhler E, F (Altenburg, 1901)
Veritas L, F (Müller, Dresden 1912)
Opel E, F (Rüsselsheim, 1901, 1909)
Pfaff E (kleines Ringschiff), F (großes Ringschiff), (Kaiserslautern 1901)
Neumann Lit D (Seidel und Naumann, Dresden, 1901)
Stoewers Titania (Stoewer, Stettin, 1888,)
Stoewer Velocitas (1902)
Wertheim Ringschiff A (Frankfurt, 1901 + 1912)


Ich denke mal, dass meine nicht zu den ganz alten gehört, da sie schon einen Rückwärtsgang hat. 

Viele weitere Informationen und tolle Bilder finden sich übrigens bei  Ludger Halbur und im Nähmaschinenverzeichnis.

PS: Weitere Blogeinträge zu meiner Ringschiffchenmaschine: 
erste Begegnung: Ein Fund im Secondhandladen
Kontaktaufnahme mit dem rostigen Innenleben
um die Mechanik wieder gängig zu bringen, brauchte es seehehr viel Geduld
nur ein Foto: eine Portion alter Dreck

Nachtrag im März 2018: 
In Kleinanzeigen bin ich über ein identisches Modell gestolpert, das mit "Papieren" angeboten wird, unter anderem mit einem Garantieschein von 1912. 
Die konnten doch schon rückwärts, damals....
Eine Firma oder Marke war aber auch hier nicht ersichtlich. Und der Preis für das angepriesene Exemplar liegt in einer schwindelerregendenden Höhe..... 






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2 Kommentare:

  1. Es ist beachtlich, was Du mit solch einer Nähmaschine anstellst. Ich besitze noch von meiner Mutter eine alte Nähmaschine (Naumann), ich glaube, diese hat auch so ein Ringschiffchen. Sie steht seit 30 Jahren auf dem Dachboden. Für mich ist sie eine schöne Erinnerung, denn mit ihr habe ich meine ersten Nähversuche gestartet.


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  2. Ich habe auch so meine Erinnerungen an das Surren der Nähmaschine Marke Köhler.Meine Mutter nähte auf ihr akle unsere Kleider. Nun ist sie in meinem Besitz und bei der Recherche über die Köhler Ringschiff-Maschine bin ich über deinen Blog gestolpert. Vielen Dank dafür, ich habe einiges über das gute Stück gelernt. Sie funktioniert immer noch einwandfrei und wird gelegentlich zu nostalgischen Zwecken gebraucht

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